„Ja, hören schon – aber folgen nicht! ;)". So beginnen viele
Gespräche mit Passanten. Die meisten Hundeinteressierten haben irgendwann und
irgendwo mal gehört, dass es auch taube Dalmatiner gibt. Wie ca. 85 weitere
Rassen, ist der Dalmatiner von der sog. kongenitalen (angeborenen) Taubheit
betroffen. Besonders häufig ist diese Form der Taubheit bei Rassen mit einem hohen Weissanteil anzutreffen. Die Taubheit kann einseitig (unilateral) und beidseitig (bilateral)
auftreten. Es sind verschiedene Gene in der Diskussion, die an der Kongenitalen
Taubheit beteiligt sein könnten; ein Gentest um vermeintliche Träger zu
identifizieren, konnte bisher nicht entwickelt werden. Ein Zusammenhang mit der
Wanderung/Verteilung der Melanozythen (Pigmentzellen der Haut) ist sehr
wahrscheinlich. Sind bestimmte Bereiche im Innenohr pigmentiert, dann „funktioniert“
das Ohr. Insofern kann man auch von einer Erblichkeit ausgehen, da bestimmte „Fleckenmuster“
vererbt werden. Häufig fällt das bei Gesichtszeichungen auf, aber es betrifft natürlich den ganzen Hund und auch die Ohren bzw. die Innenseite.
Aber nun mal zu den nackten Zahlen: wie häufig sind Dalmatiner von Taubheit
betroffen? Ich habe in den Zuchtbüchern des DVD gestöbert: In den Jahren
2002-2006 waren 3% der Welpen einseitig hörend, 1,8% waren taub. 2007-2013: 5%
einseitig hörend, 1% taub. Man könnte jetzt ableiten, dass die unilaterale
Taubheit in den letzten Jahren häufiger auftritt, die beidseitige weniger. Ich denke, dass ist eher
Zufall, weil die Gesamtanzahl der Welpen einfach zu gering ist - statistisch gesehen. Ich bin im übrigen der Meinung, dass ein tauber Welpe quasi ein doppelt einseitig hörender Welpe ist, was auch erklären würde, warum die Zahl der „Einseitigen“
deutlich höher liegt, als die der „beidseitig Einseitigen“ (statistisch müßte sich bei entsprechend großer Anzahl untersuchter Welpen ein Zusammenhang ergeben, z.B. wenn jeder Zehnte Welpe einseitig taub ist, müßte jeder Hundertste beidseitig taub sein). Die Zahlen in
Deutschland sind signifikant besser als in USA. Das könnte daran
liegen, dass in den VDH-angeschlossenen Dalmatinervereinen, anders als in USA und in vielen anderen Ländern, nur mit nachweislich
beidseitig hörenden Elterntieren und auch nicht mit blauäugigen Dalmatinern
gezüchtet werden darf. Auch ist die audiometrische Untersuchung aller Welpen
eines Wurfes in bei uns Pflicht.
Einseitig hörende Dalmatiner sind also von der Zucht
ausgeschlossen. Diese Eigenschaft kann nur mit einem AEP-Test (Ableitung
akustisch evozierter Potentiale) festgestellt werden. Im Alltag kann man einen
einseitig hörenden Dalmatiner von einem beidseitig hörendem praktisch nicht
unterscheiden. Im direkten Vergleich könnte vielleicht auffallen, dass das „räumliche
Hören“ beim einseitigen schlechter ist, da er kein Stereo-Hörvermögen hat. Das
wird durch häufigeren Blickkontakt ausgeglichen. Einseitig hörende Dalmatiner
sind daher oft leichter zu erziehen und nicht weniger tolle Familienhunde.
Der Hörtest wird beim (VDH-)Züchter durchgeführt und die
Welpen müssen dafür mindestens 6 Wochen alt sein. Die Welpen werden sediert,
bekommen eine Elektrode an den Kopf und einen „Knopf“ ins Ohr, der eine
bestimmte Zahl an Klopfgeräuschen abgibt. Über die Elektrode werden
Gehirnströme gemessen und dann graphisch dargestellt.
Charakteristische Hörkurven beim AEP-Test
Der Test ist i.d.R. eindeutig (Ausnahme.Schwerhörigkeit) und
ich habe noch nie davon gehört, dass ein Welpe zu einem späteren Zeitpunkt taub
geworden wäre (Ausnahme: Taubheit im Alter, aber das trifft nicht nur Hunde ;) ). Jedes Ohr wird natürlich einzeln getestet.
Die „Qualität“ eines Züchters kann man nicht an der Zahl,
der tauben oder einseitig hörenden Welpen messen. Zudem veröffentlicht nicht jeder Züchter seine AEP-Ergebnisse und eine Statistik. Natürlich werden die meisten
Züchter es vermeiden, wissentlich eine Verpaarung vorzunehmen, bei der mit einer hohen Wahrscheinlichkeit taube oder einseitig hörende Nachkommen zu erwarten sind. Man kann aber eben nicht vorhersehen, wie gut eine Verpaarung harmoniert
und das Hörvermögen ist auch nicht das einzige Zuchtkriterium, sondern eines
unter vielen.
Abschließend kann man sagen: die Taubheit ist in Deutschland
ein eher untergeordnetes Problem in der Zucht, einseitig hörende Dalmatiner
sind genauso toll wie beidseitig hörende (nur eben von der Zucht ausgeschlossen)
und wenn man bei einem ordentlichen Züchter kauft, weiß man über die
Hörfähigkeit Bescheid, weil jeder Welpe getestet wird.
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